Donnerstag, 13. September 2012

EINSICHTEN IN DIE WEITE WELT DES REFERENDARIATS

Oder: Der humoristische Versuch, das aufzuarbeiten, wofür man vielleicht später einen Therapeuten braucht

 

Ein kleines Vorwort

Der geneigneten Leserschaft wird schon aufgefallen sein, dass hier im Blog wenig passiert. Das liegt vor allem daran, dass in meinem Referendarsleben kaum etwas berichtenswertes passiert. Urlaubsfotos zeige ich im Freundeskreis, die kurzen Nachrichten über Twitter dienen zu beiderseitigen Belustigung und ansonsten herrscht ja schließlich das Dienstgeheimnis. Ach ja, außerdem bin ich kein talentierter Schreiberling.
Andere Menschen können das jedoch wesentlich besser. So zum Beispiel eine werte Kollegin (oder ein Kollege, das Dienstgeheimnis - ihr wisst schon.), daher wird sich, vor allem bei entsprechendem Interesse und positiven Rückmeldungen, hier nun diese kleine Serie finden. Ein Gastbeitrag sozusagen. Der Text sagt alles, er entspricht in allen Fällen der Wahrheit, die Namen wurden ggf. geändert - aus Gründen.
Viel Spaß.
T


Teil I - Auf der Suche nach der Metaebene

Die Metaebene ist das, was Schüler erreichen sollten, wenn sie den Inhalt und/oder Fakten verstanden haben. Und das, was Referendare können sollten, obwohl sie es noch gar nicht können können.
Sechs Wochen sind jetzt schon ins Land gezogen und es ist Zeit ein kleines Resümee zu ziehen. Beim Stichwort „Resümee“ wären wir schon beim ersten Problem, ein Wort, das man in den Jahrgangsstufen 5-7 sicher nicht und ab 8/9 vielleicht verwenden darf. Wer den Witz als der Seminarlehrer mit Gott über seine Schöpfung sprach für einen Witz gehalten hat, der war noch nicht im Referendariat.
(Für alle, die den Witz nicht kennen: Nachbesprechung: Der Seminarlehrer bespricht mit Gott die Schöpfung. Gott lässt den Blick über das Universum schweifen: „Ich denke, es ist mir ganz gut gelungen!“ Daraufhin lächelt der Seminarlehrer milde und antwortet: „Nunja, man merkt, dass du noch ein Anfänger bist. Der Einstieg mit dem Urknall war sicher zündend, dann war allerdings ein paar Milliarden Jahre das Ziel nicht ganz klar. Die Sterne hätte man durch verschiedene Farben stärker hervorheben können. Den Menschen hast du viel zu spät eingeführt. Insgesamt hätte ich mehr Schwung erwartet – und fertig geworden bist du auch nicht!“)
Meine Glaubenswelt ist erschüttert: „Hinfort mit dir monotheistische Religion!“ (kann man in der Schule maximal in der Oberstufe verwenden und dann auch nur wenn die Stufe echt gut ist) es gibt einen Gott über der Trinität (ein Wort, das man gar nicht verwenden kann) und dieser Über-Gott ist der Seminarlehrer. Regel Nr. 1, um zu überleben ist – auch wenn es schwer fällt – nichts persönlich nehmen. Die 5-7 fetten Jahre des Lobes an der Uni sind vorbei, die 7 mageren Jahre des „Nicht geschimpft, ist gelobt genug“ werden auf zwei Jahre verdichtet. Nach menschlichem Ermessen ist mit Lob also nicht zu rechnen, genauso wenig damit, dass Schüler in diesem Satz auch nur ansatzweise darauf kommen würden, dass es sich um eine alttestamentarische Anspielung handelt.
Der Schüler von heute hat es ja auch schwer. Kommt als Kunde in die Dienstleistungs-GmbH Schule und wird im 45 min Rhythmus (an dieser Stelle sei ein Lachanfall meinerseits erlaubt: 45 min?!?!? Wer die hat, ist nicht an einer öffentlichen Schule oder hat eine Doppelstunde!) von mehr oder weniger engagierten Lehrern bespaßt (der leere Kopf mit Wissen gefüllt, die leere Festplatte beschrieben usw. usw.). Im Idealfall und ich zitiere hier aus der Heiligen Schrift für alle Lehrkräfte, dem Lehrplan, also im Idealfall soll der Schüler am Gymnasium „(…) geistig besonders beweglich und phantasievoll sein, gern und schnell, zielstrebig und differenziert lernen sowie über ein gutes Gedächtnis verfügen. Sie müssen die Bereitschaft mitbringen, sich ausdauernd und unter verschiedenen Blickwinkeln mit Denk- und Gestaltungsaufgaben auseinanderzusetzen und dabei zunehmend die Fähigkeit zu Abstraktion und flexiblem Denken, zu eigenständiger Problemlösung und zur zielgerichteten Zusammenarbeit in der Gruppe entwickeln.“ Jetzt wird sich so mancher Professor an der Uni denken, ja wenn ich denn wenigstens solche Studenten hätte! Haben Professoren nicht und wir Lehrer haben im Übrigen auch keine solchen Schüler. Wir haben beispielsweise Schüler, die die französische Trikolore als Hinweis auf den Sieg der Germanen über Wen-auch-immer deuten und für die Russland nach den Befreiungskriegen im 19. Jhd. die Vorherrschaft über den europäischen Kontinent (die Verwendung dieser Phrase muss vorher eingeübt werden…) erringt und daher im – wie allseits bekannt – in Russland liegenden Wien den Wiener Kongress abhält. Nahezu ideal zum Stichwort „phantasievoll“ passt dann auch der abstrahierende Problemlösungsansatz eines Schülers, dass die nationale Symbolfigur für Frankreich „Marianne“ keineswegs eine Jakobinermütze (über die eigentlich richtige Antwort „phrygische Mütze“ lachen wir an dieser Stelle einfach mal kurz … das kommt nicht mal im Proseminar Geschichte…) trägt, sondern die Haare auf diesem Bild einfach besonders schön hat.
Überlebensregel Nr. 2: Passe dich soweit möglich deinem Seminarlehrer an. Auch wenn dieser Ansatz manchmal zu schizophrenen Auswüchsen bei einem selbst führen kann. Tu es – es hilft, auch wenn Logik in diesem Zusammenhang keine Rolle spielt. Es kann also durchaus passieren, dass man bei Seminarlehrer 1 dafür gerügt wird, weil man leises Gemurmel in der Klasse zugelassen hat und einem Seminarlehrer 2 untersagt, die Schüler um Ruhe zu bitten, weil der Schüler ja nur laut ist, weil der Unterricht des Lehrers uninteressant ist. Dass man bei pubertierenden Kindern in der Mittelstufe vorne an der Tafel ein Feuerwerk zünden kann, ohne dass es besagte Schüler auch nur ein bisschen interessiert, spielt bei diesem Über-Gott keine Rolle. Als Lehrer muss man sich halt schon für den Schüler engagieren. Ist klar, aber dass der Schüler sich vielleicht auch für den Lehrer engagiert, indem er Vokabeln lernt?
Ich bete dagegen seit sechs Wochen (natürlich neben dem Übergott) den Gott der Tafel an (herzlich willkommen im Polytheismus – ein Wort, das man übrigens in der 6. Klasse im Rahmen der Ägyptensequenz einführt und dann bitte niemals nie nicht auch jemals wieder einen Schüler fragen darf/kann, weil Schüler = Kunde = à verwirre den Kunden nicht mit Tatsachen) und zwar den Gott der graphischen Tafel. Hinfort also mit textlastigen Tafelanschriften, lang leben Pfeile, Kästen, Kreise und Farben. Ich habe mir schon überlegt, ob die vielen Farben an der Tafel für die Schüler vielleicht einen Trip auf LSD oder Pilzen imitieren sollen, damit das erste tatsächliche Erlebnis mit diesen Drogen nicht so schlimm wird, schließlich sollen wir Schüler auf das Leben und nicht die Schule vorbereiten.
Vorbereitung ist auch so ein Stichwort. Man braucht schon – und das ist Überlebensregel Nr. 3 – die sprichwörtliche Gelassenheit eines buddhistischen Vollzeitmönches, um es a) mit Gleichmut hinzunehmen, dass sich Schüler für eine insgesamt 10 Stunden lang vorbereitete Stunde nicht interessieren und was den Kunde nicht interessiert, wird dann halt auch nicht gekauft/aufgenommen. Oder falls man Glück hatte und die Schüler motivieren konnte (zählt Bestechung eigentlich zur Motivation?), wird einem spätestens b) in der Nachbesprechung das langerarbeitete Stundenkonzept solange um die Ohren geschlagen, dass man anschließend 2 qkm Mosaik in Pompei damit auslegen könnte.
Warum es trotzdem Spaß macht?
Weil die guten Schüler überwiegen, auch wenn sie vielleicht nicht dem Ideal des Lehrplans entsprechen. Lehrer entsprechen diesem Ideal ja gleich zweimal nicht. Wir sind alle Menschen (bis auf Seminarlehrer und Mitglieder der preußischen Akademie der Wissenschaften) und irren ist nun mal menschlich, auch wenn diese Regel für Referendare zwei Jahre lang nur bedingt gilt.
Was nehmen wir mit? Wenn wir das Referendariat gemeistert haben, sind wir vermutlich für jeden Job dieser Welt zu haben und brauchbar. Egal ob Krisensituationen, Kuschelpädagogik, das Abbrennen pädagogischer Feuerwerke oder Sachverhalte im Schnellverfahren aneignen und dann didaktisch Aufbereiten. Wir können es, wir wollen es und wir schaffen es!

 

Donnerstag, 16. Februar 2012

so schnell vergeht die Zeit

Schon wieder ist es einige Monde her, das hier mal was Neues reingeschrieben wurde. Bedauerlicherweise hat das vor allem mit meiner aktuellen Beschäftigung zu tun. Dem Port habe ich nun vor etwas mehr als einem halben Jahr den Rücken gekehrt und bin ausgewandert.
Wohin?
Naja, die meisten meiner werten Leserschaft (vermutlich sogar alle beide) werden es wohl schon wissen. Mich hat es in den Westen verschlagen. Die geringe Anzahl an Artikeln hier könnte man wohl demnach auch als „Im Westen nichts Neues“ überschreiben aber dann bekäme man am Ende noch Schwierigkeiten mit irgendwelchen Urheberrechtsanwälten. Das scheint ja ziemlich in Mode zu kommen, auch wenn es gutenplagistische Gegenbeispiele gibt.
Außerdem ist es hier gar nicht soooo langweilig wie man vielleicht vermuten könnte. Ganz anders sah das noch vor den Weihnachtsferien aus. Einen Großteil meiner Zeit verbrachte ich damit, mir Arbeit zu suchen. In meiner kleinen, nicht ganz so feinen Wohnung war es weitgehend aufgeräumt und sauber, meine Unterlagen waren geordnet. Irgendwie kam mit dem Jahreswechsel dann auch die Keule. Plötzlich geht’s los. Schulaufgabe hier, Stundenvorbereitung da, Fachsitzung, Besprechung, Kritik, Lob, unhaltbare Argumentationen, berechtigter Tadel ... ein Feuerwerk der Emotionen. Meinen Mitrefis ging’s nicht anders und so fand sich schnell eine Gruppe der tapfersten Kämpfer die unermüdlich von 7Uhr bis Mitternacht im Seminarraum den Berg an Arbeit von links nach rechts schaufelten. Vor sich herschieben wie an der Uni geht nicht mehr. 9-5-Jobs wie im Port sind zwar sicher entspannter aber wenn dann doch vielleicht eine kleine (eher mikroskopische) Chance auf eine Lebenszeitverbeamtung besteht, schlägt man sich halt so durch. Und selbst wenn das mit dem Beamtentum wohl illusorisch ist, man hat ja schließlich nicht umsonst 8Jahre studiert, Geld, Zeit, Leben investiert um dann an irgendeinem Telefon willkürlichen Blödsinn zu erzählen. Das tut man dann lieber in irgendeiner Klasse. – Spontane Unterrichtsvorbereitung klingt übrigens viel cooler als es ist. Referate konnte man an der Uni noch mal schnell aus dem Hut zaubern, schließlich muss man den Spaß ja nur ordentlich verkaufen können. Spielen aber bis zu 32 Schüler im eigenen Team mit und sitzt dann womöglich noch ein Betreuungs- oder Seminarlehrer auf der Gegenseite (sprich hinter der Klasse), bedarf dies einer wesentlich ausführlicheren Vorbereitung. Nix mehr mit pseudo-wissenschaftlichem Oberflächenkratzen. Was der Seminarlehrer sagt, ist Gesetz. Was er nicht sagt, ist zu erahnen und ebenso wie das gesagte zu behandeln. Wer sich nicht daran hält, wird entweder standrechtlich erschossen oder mit einem DUMMKOPF-Stempel auf der Stirn mit Arbeit eingedeckt. Naja, ganz so ist es dann wohl doch nicht, schließlich sind Stempel ja was für den Kindergarten oder die Grundschule aber mit Sicherheit nichts für den Einsatz an einem Gymnasium.
Zurück zur Chance. Ich bin mir immer noch nicht 100%ig sicher ob ich das hier wirklich die nächsten 40-50Jahre machen will. Mit einer Lebenszeitverbeamtung kann man sich dann aber bestimmt ein wenig mehr zurücklehnen und bis man diese bekommt, hat man sicher auch irgendwie schon mal alle Klassen in jedem seiner Fächer unterrichtet. Dann heißt es, aus dem Materialfundus schöpfen, entspannt zurücklehnen und auf die nächste Gehaltsstufe warten. Arbeitslos kann man ja nicht mehr werden und das schlimmste Szenario ist die Versetzung in ein Amt. Bis dahin geht aber noch viel Wasser die Elbe runter und eigentlich würd ich schon gerne wieder zurück. Man wird sehen was kommt, in 1,5Jahren kann die Welt schon ganz anders aussehen und vielleicht regieren dann die Hühner, es gibt laserstrahlenschießende Bäume und man tauscht ein Stück Butter gegen zwei Tannenzapfen.
Die geneigte Leserschaft (diesmal sicher alle beide) fragt sich sicherlich, wie ich bei all dem Wehklagen nun plötzlich doch Zeit und Motivation finden kann, diesen Post zu verfassen. Nun, ich sitze grade in einer Vertretungsstunde und die Kids (ein kleiner Mittelstufen-Italienischkurs) sind mit sich, irgendwelchen (Haus-)Aufgaben und Kartenspielen beschäftigt. Ergo, ich habe Zeit mich hier mal ausgiebig der Reflexion hinzugeben und dabei noch möglichst beschäftigt zu wirken.
Ansonsten geht das Halbjahr mit dem morgigen Freitag zu Ende. Mal schauen welche Aufgaben mein werter Seminarlehrer noch für mich hat, bevor wir Weiden für das nächste Jahr den Rücken kehren können. Am Freitag steht noch ein Abschlussessen der Tapferen an, schließlich hat man in den paar Monaten auch Freunde gewonnen. Schon allein die gegenseitige Hilfe (ich bin dabei wiedermal der Technik-Toni und fühle mich so auch immer wieder an die guten alten Portzeiten erinnert) war und ist Gold wert und so werden wir uns sicher zum größten Teil ein wenig vermissen. An der Einsatzschule sind wir dann allein aber auch das wird zu schaffen sein (müssen).
Ich hoffe mal die Chance zum nächsten Blogeintrag lässt nicht wieder ein halbes Jahr auf sich warten. Man wird sehen wir die dreifache Stundenzahl, die Inexistenz eines stetig drohenden Seminarlehrers und die Einsamkeit (wohl ein zu hartes Wort aber die Stunde ist gleich vorbei) sich gegeneinander aufwiegen. Eins ist aber sicher: Wir schaffen das. Rock on!